Rechtsanwaltskanzlei Gerhard Jung
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Sind Scheidungskosten steuerlich absetzbar? - J...ein

 

Wenn es nach dem Willen des Souveräns geht, also des Volkes (Artikel 20 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“), vertreten durch den Deutschen Bundestag (Artikel 38 Abs. 1 Grundgesetz: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages... sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“), eher nicht. Denn er, der Deutsche Bundestag, beschloß mit dem sogenannten "Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG)" vom 26. 6. 2013* mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2013 folgende Änderung des § 33 Abs. 2 S. 4 Einkommensteuergesetz (EStG):

 

„Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.“

 

Die Formulierung „es sei denn“ will besagen, daß es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt mit der Folge, daß es Sache des Bürgers ist, die Umstände dafür lückenlos darzulegen, „seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können“. Daß beispielsweise die Kreditraten für das Familienheim nicht mehr bezahlt werden können, nachdem die Frau/der Mann in eine Mietwohnung ausgezogen ist und Unterhaltsansprüche geltendmacht.

 

Der Mensch muß also, um es überspitzt auszudrücken, seine Existenzberechtigung nachweisen. Damit ist weder die theologische Frage nach dem Sinn des Lebens angesprochen – dann ergäbe sich die Antwort aus dem Wort Jesu von Nazareth „T Κασαρος  πδοτε Κασαρι κα τ το θεο τ θε.“ (Dem Kaiser gebt, was dem Kaiser gehört, und Gott gebt, was Gott gehört, Mk 12,17), noch die erkenntnistheoretische nach dem (wahren) Sein – dann hieße die Antwort, frei nach René Descartes, tinnio, ergo sum (ich bleche, also bin ich). Auch Fragen der Deutschen Aufklärung wie etwa: „Was darf ich hoffen?“ (Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft), helfen gegenüber deutschen Finanzämtern nicht weiter. Diese orientieren ihr Handeln allein an § 88 AO (Abgabenordnung): „Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. - Voilá!

 

Eines sollte man in jedem Fall tun: die Scheidungskosten in der Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastungen eintragen. Dann muß das Finanzamt den Steuerbescheid zumindest unter Vorbehalt erteilen, da über die Frage ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist. Nach dessen Entscheidung wird dann der Steuerbescheid (gegebenenfalls) berichtigt, wie dies noch von der Pendlerpauschale in bester Erinnerung ist.

 

Aber gerade wer aber „seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen“ kann, ist auf die sofortige steuerliche Anerkennung angewiesen. Ihm bleibt nur der Weg über Einspruch gegen den Steuerbescheid und Klage gegen den Einspruchsbescheid beim Finanzgericht.

 

Die Finanzgerichte allerdings arbeiten den Sachverhalt weitaus gründlicher auf als das Finanzamt. So neuerdings wieder das Finanzgericht Münster (Urteil vom 21.11.2014

https://www.jurion.de/de/news/307391/FG-Muenster-Kosten-des-Scheidungsprozesses-weiterhin-als-aussergewoehnliche-Belastungen-abziehbar): Der Begriff der Existenzgrundlage sei nicht rein materiell zu verstehen, sondern umfasse auch den Bereich des bürgerlichen Lebens und der gesellschaftlichen Stellung. Dies erfordere die Möglichkeit, sich aus einer zerrütteten Ehe lösen zu können. Das ist doch schon einmal etwas.

 

Allerdings ist nach § 6 GKG bei Klageerhebung zum Finanzgericht ein Kostenvorschuß an die Gerichtskasse einzuzahlen, der sich an einem Mindeststreitwert von 1500,00 € orientiert. Konkret bedeutet dies einen Vorschuß in Höhe von (mindestens) 213,00 € an die Staatskasse (unverzinslich), auch wenn lediglich um einen potentiellen Steuervorteil von beispielsweise 80,00 € gestritten wird:

 

§ 6 GKG:

„(1) In folgenden Verfahren wird die Verfahrensgebühr mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig:

1. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten,

2. in Sanierungs- und Reorganisationsverfahren nach dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz,

3. in Insolvenzverfahren und in schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,

4. in Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes und

5. in Prozessverfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit.

Im Verfahren über ein Rechtsmittel, das vom Rechtsmittelgericht zugelassen worden ist, wird die Verfahrensgebühr mit der Zulassung fällig.

(2) Soweit die Gebühr eine Entscheidung oder sonstige gerichtliche Handlung voraussetzt, wird sie mit dieser fällig.

(3) In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen bestimmt sich die Fälligkeit der Kosten nach § 9.“

 

Leisten kann man sich das also nur, wenn man zur privilegierten Oberschicht gehört und um hohe Steuerersparnisse kämpft oder zum sogenannten Prekariat, das Anspruch auf Prozeßkostenhilfe hat und deshalb von der Zahlung der Gerichtskosten befreit ist.

 

* So lautet tatsächlich die monströs-bürgerfeindliche amtliche Bezeichnung dieses Gesetzeswerks, deren Abkürzung nochmals einer Abkürzung bedarf.. Wer es nicht glaubt, mag nachsehen im Bundesgesetzblatt unter BGBl. I S. 1809.

 

Na ja, wird man sagen, im Steuerrecht mag das angehen, da ist der Bürger leidgeprüft. Dieselbe aufgeblähte Sprache widerfährt dem Rechtsanwender aber auch im „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (FamFG), einem Produkt aus dem Jahre 2009. Es kann sich also nicht damit hinausreden, in ein Gestrüpp von Disteln und Dornen hineingewachsen zu sein. Es hätte vielmehr die Chance gehabt, frei von solcherlei Geburtsfehlern aus einem Guß zu entstehen. Wie lückenhaft und widersprüchlich indes das Gesamtkonzept ist, läßt ein Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19.12.2013 - 18 WF 291/13 – erkennen.

 

 

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